Wie geht es weiter mit der Dorfkirche? II
Märkisches Echo vom 3./4.2.2018 „Legende vom Geheimgang zum Pfarrhaus“
Baukörper und Ausstattung ist Stückwerk der Epochen (MOZ-Serie Teil 31)
Thomas Berger mit der Vorsitzenden des Fördervereins Dorfkirche Prädikow, Simona Koß:
Prädikow. Die Kirchen sind in der Regel die ältesten Bauwerke ihrer Orte, steinerner Brückenschlag zwischen den Jahrhunderten.
Ein markantes Detail ist heute weder sichtbar noch zugänglich: Unter dem Fußboden des großflächigen Chorraumes liegt noch in der Gruft der von Barfus, also jener Gutsherrenfamilie, die in der Siedlungsgeschichte des heutigen Prötzeler Ortsteils lange Zeit die Geschicke des Dorfes bestimmte. Schon bei Theodor ‚Fontane, der hier auf seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ vorbeischaute, ist das Erbbegräbnis erwähnt.
Zudem ist mit der Gruft eine Legende verbunden. „Angeblich gibt es von ihr unter der Straße hindurch eine Verbindung zum Pfarrhaus“, hat der langjährige Ortspfarrer Manfred Caesar immer wieder erzählt bekommen. Auch Simona Koß, die Vorsitzende des Fördervereins Dorfkirche, kann sich schon aus Kindheitstagen sehr gut an diese jahrhundertealte Überlieferung erinnern.
Ob nun unterirdischer Geheimgang oder nicht – anderes aus der Vergangenheit des markanten Bauwerks ist schon auf den ersten Blick hin zu sehen. Vor allem, dass die heutige Gestalt der Kirche nicht die Ursprünglich ist. Der Prädikower Sakralbau ist alt, sehr alt. Errichtet zwischen 1255 und 1270, und das nicht etwa als bescheidenes Kirchlein, wie sonst oft in jener Ära üblich, als im Barnim erstmals steinerne Bauten die früheren Holzkirchen ersetzten. In diesem Fall wurde damals nicht gekleckert sondern geklotzt: Eine dreischiffige Basilika wurde an dieser Stelle errichtet. Was selbst ohne genauere Überlieferungen aus jener Zeit eindeutig die Schlußfolgerung nahe legt, dass Prädikow im 13. Jahrhundert eine weit größere Bedeutung als seine Nachbarorte hatte. Heutzutage ein Dörfchen mit 200 Seelen, muss es damals ein florierender Marktflecken, möglicherweise sogar mit kleinstädtischer Prägung, gewesen sein. Wie lange dies der Fall war und was den späteren Bedeutungsverlust auslöste, darüber kann höchstens spekuliert werden.
„Genaueres wissen wir nicht“, sagt Manfred Caesar, auch nicht, wann die beiden Seitenschiffe verschwanden. Stark beschädigt im Dreißigjährigen Krieg und dann abgetragen, so ist es vage überliefert. Konkrete Nachweise fehlen, wohl aber ist ihr Verlust und damit die deutliche Verkleinerung des Baukörpers grob in jener Epoche zu verorten.
Aus der Zeit der Renaissance stammt die Kanzel mit Bildern der vier Evangelisten und, bedingt durch den heutigen Standort eher unscheinbar in der Ecke, einer androgyn wirkenden Christusdarstellung, die kunsthistorisch einige Fragen aufwirft, wie Manfred Caesar hinweist. Barock ist wiederum das, was im Übergang zwischen Schiff und Chorraum genau gegenüber an der anderen Wand steht – das schmuckvolle Epitaph von 1716, Grabmal der 17-jährig verstorbenen Johanna Dorothea Elisabeth, Tochter des Gutsverwalters Eberhard Valentin Ballaunen.
Früher muß es auch einen größeren Altar gegeben haben – über sein Verschwinden ist ebenfalls nichts Näheres bekannt. Möglicherweise, ließe sich vermuten, war er ähnlich wurmstichig wie das Chorgestühl, das bei der großen Renovierung und Umgestaltung der Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950-er Jahren herausgerissen wurde. Nennenswerte Kriegsschäden hatte das Bauwerk – anders als manch andere Kirche in der Umgebung – zwar nicht davongetragen, berichten der Pfarrer und die Vereinschefin. Der Eingriff in das innere Gesamtbild durch die Maßnahmen vor gut einem halben Jahrhundert war allerdings massiv. Nur noch der feldsteingemauerte Altartisch steht nunmehr fest im imposanten Chorraum. Was diesen ansonsten prägt, ist das mächtige Sgraffito. Ein Wandbild mit dem Motiv des letzten Abendmahls, ausgeführt in der speziellen Ritztechnik, die in der Renaissance in Italien aufkam, sich später auch auf Österreich und den süddeutschen Raum bis Sachsen ausbreitete. Geschaffen hat es der seinerzeit bekannte Rostocker Künstler Lothar Mannewitz im Jahr 1955.
Während äußerlich noch vieles an die Erbauungszeit im Übergang zwischen Romanik und Gotik erinnert, ist der heutige Turm nicht der Originale. Erst 1865, mutmaßlich im Zusammenhang mit Arbeiten am Schloss im benachbarten Prötzel, wurde der frühere Fachwerkturm durch den Jetzigen, ausgeführt in Feldsteinen mit Einfassung durch rot Ziegel, ersetzt.
Während die seitlichen Emporen verschwunden sind, und seither die etwas brachiale Neugestaltung der nunmehrigen Außenwände samt Fensteröffnungen nach Abriss der Seitenschiffe stärker ist, steht auf der Querempore die Orgel. Ein bescheidenes, romantisches Instrument, eingebaut um 1870 und die Stiftung eines Bäckermeistgers aus dem Ort, der nach Berlin ging, wie Manfred Caesar zu berichten weiß.
Gottesdienste gibt es in der Regel zwar nur dreimal jährlich. Dafür ist s der Förderverein, der mit Konzerten, Lesungen und Festen von April an bis in die Vorweihnachtszeit immer wieder das Gebäude mit Veranstaltungen belebt. Nicht nur aus Selbstzweck, um mit den Einnahmeerlösen für die notwendige Sanierung Geld zu sammeln. Sondern auch, damit der Bau nicht nur als steinerne Hinterlassenschaft früherer Jahrhunderte still in der Ortsmitte steht.
Im Jahr 2010 ist der Kräutergarten nach dem Vorbild der Hildegard von Bingen als deutsch-polnisches Schülerprojekt entstanden, monatlich sind Vereinsmitglieder und Helfer bei den Arbeitseinsätzen zugange. Besonders freut Simona Koß und Manfred Caesar, dass zu Weihnachten 17 Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis 15 Jahren beim Krippenspiel mitmachten und die Christvesper rund 300 Besucher anlockte. Ein Beispiel, dass auch kirchliches Leben an dieser Stelle weiter blüht, obgleich Buckows junge Pfarrerin Anika Grünwald, für Prädikow mit zuständig, bei den meisten anderen Anlässen mit weit kleineren Runden vorlieb nehmen muß.
Seit Jahren sammelt der Förderverein unermüdlich Spenden. Dach und Dachstuhl des Schiffes (45.000 Euro), Dach/Dachstuhl und Balkenanlagen Turm (24.000 Euro), Außenfassaden (61.000 Euro) und Risssanierung in der Ostwand in Verbindung mit dem Einziehen von Ankern in den Schultergewölben des Turms (zusammen 56.000 Euro) – schon die Kostenkalkulationen dieser größten Posten machen den Bedarf an Maßnahmen und Mitteln zur Finanzierung deutlich. Von ergänzenden Arbeiten wie Rückbau des Betonfußbodens, Instandsetzung der Fenster oder Sicherung der Fundamentreste der Seitenschiffe ganz zu schweigen.
Rund 9.000 Euro, darunter gut die Hälfte von der Sparkasse, stehen derzeit für den Eigenanteil zur Umsetzung des ersten Maßnahmepakets zur Verfügung, so Simona Koß. Bei Denkmalschutz und dem Leader-Progrmm sind Anträge gestellt. Ob es 2018 losgeht, ist allerdings noch offen.